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Oktober = Erntezeit

Aktualisiert: 12. Nov. 2020


Stellt euch vor: ihr hegt und pflegt Gemüsesamen und zarte Anzuchtpflänzlein den Winter über auf dem Fensterbrett, schützt sie nach dem Aussetzen vor Frost, zu viel Sonne und versucht sogar, nach dem Mondkalender zu garteln, damit aus dem Pflänzlein ordentliche Pflanzen werden…und nach drei Monaten fährt der Bagger drüber. Zuerst musste beim Graben der neuen Wasserleitungen im Frühjahr die Entscheidung getroffen werden: entweder stellt sich auf mein Heil- und Küchenkräuterbeet der Bagger drauf oder die Hausmauer muss dran glauben…nun ja, ratet, wie die Entscheidung ausgefallen ist.

Genau zur Sommersonnenwende mussten wir feststellen, dass plötzlich der WC-Abfluss nicht mehr funktionierte und aus Küchen- und Badabfluss das Wasser nach oben blubberte. Unserer Hoffnung, es könne sich ja nur um eine tiefsitzende Verstopfung handeln wurde nach dem Einsatz einer Kamera leider zerstreut: das Kanalabflussrohr war gebrochen und der Bagger musste nach dem Leck graben – mitten im Gemüsegarten. Mir stand meine Verzweiflung wohl ins Gesicht geschrieben, denn unser lieber Baggerfahrer hat sich sicher zehn Mal für das Umgraben entschuldigt und geduldig gewartet, als ich von einer Stelle zur anderen hüpfend an roten Rüben und Kraut zu retten versuchte, was noch zu retten war. An dieser Stelle vielen lieben Dank an meine Kunden, unsere Nachbarn und meine liebe Mama, die uns mit dem einen oder anderen Kürbis, Gurken und Zucchini versorgt und somit doch einige Vorratsgläser gefüllt haben.

Apropos Kürbis, bevor ich vergesse: zum einen werden die Kerne als natürliches Wurmmittel an unsere Hühner verfüttert. Zum anderen verarbeite ich sie zu knuspriger Salatbeilage, und zwar so: die Kerne drei Tage einweichen, damit sich das Fruchtfleisch ablösen lässt. Falls ein eigenartiger Geruch entsteht, nicht beunruhigen lassen - die Kerne ordentlich abwaschen und das Problem ist gelöst. Kerne trocknen lassen und in einer Pfanne mit ganz wenig Öl anrösten (gut rühren, sonst werden die Kerne zu dunkel und somit bitter). Mit etwas Steinpilzsalz und Gierschpulver verfeinern und abgekühlt in Gläser füllen (hübsch dekoriert eignen sich die Kerne im Glas als hausgemachtes Mitbringsel). Alternativ könnt ihr Paprikapulver, Salz pur oder gemahlenen Kreuzkümmel ausprobieren – da ist Experimentierfreude gefragt!

Und noch ein Tipp zur Rosskastanien-Waschmittel-Herstellung: jagt die Kastanien ein paar Mal durch den Gartenhäcksler (die gibt es ganz günstig gebraucht zu kaufen)! Einfacher geht es wirklich nicht, die Schalen lassen sich nachher simpel lösen und die Fruchtkörper sauber zum Trocknen auflegen.

Herbst ist Zeit um die Früchte des Sommers zu Ernten…und die Enten des Sommers ebenfalls. Im Mai wurde unser Leben am WIRLIG-Hof durch süße Entenbabys bereichert, die sich zu hübschen (mit blau- und grünschimmernden Schwungfedern), quirligen erwachsenen Laufenten entwickelt haben. Die Entenschar verbreitete den Sommer über mit ihrem Gequake gute Laune und haben den Teich beim Nachbarn als zweite Dependance entdeckt (unser Nachbar war sogar so lieb, ein eigenes Warnschild aufzustellen, weil die Enten auf den Weg zu Teich2 die Straße überqueren müssen). Wir haben sie umsorgt, vor Raubtieren geschützt, regelmäßig die Entwicklung kontrolliert und sie durften sich bis zum Schluss vollkommen frei auf der Weide bewegen und fleißig die Schnecken vertilgen. Einige der Laufenten sind weiß und schon von Weitem auf der Wiese ersichtlich – sobald ich um die Kurve zu unserem Haus biege, signalisieren die weißen Pünktchen auf der Weide für mich, dass mein Zuhause ganz nahe ist.

Wie üblich, sobald wir mit einer neuen Aufgabe konfrontiert sind wird vorab ordentlich recherchiert und nachgeschlagen – bekanntlich ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen!

Die Meinungen zum richtigen Schlachtzeitpunkt unterscheiden sich jedoch gewaltig: nach genau zehn Wochen, nach 14 oder 16 Wochen, spätestens, wenn sich die Schwungfedern kreuzen, bevor sie zäh werden (ja, soll ich in eine lebende Ente reinbeißen??). Nachdem unsere Hühner beim Schlachten in der Regel fünf Monate alt sind, hielten wir es bei unseren Enten ähnlich. Christoph und ich haben beschlossen, gleich am frühen Morgen, noch bevor es hell wird mit dem Schlachten zu beginnen. Die Enten sind im Dunkeln noch ruhiger und lassen sich doch etwas leichter einfangen. Die Hühner können wir von der Stange „pflücken“, die Enten laufen jedoch ziemlich aufgeregt durch die Gegend. Ich habe die Enten gefangen, Christoph hat sie an den Beinen genommen und nach unten hängen lassen, sie halten dabei sofort still und strecken den Hals ganz durch, flattern auch nicht mit den Flügeln. Christoph hat sie zuerst mit einem kräftigen Schlag auf den Kopf betäubt – und hier gilt: nicht zögern, zuschlagen so hart wie nötig, aber ohne den Schädel zu brechen. Kopf abtrennen und im Eimer ausbluten lassen, bis sie sich nicht mehr bewegen. Vom Fangen zum Schlag auf den Kopf dauert es keine fünf Minuten. Natürlich sind die Tiere nervös – das konnte ich deutlich an ihrem Herzschlag spüren. Selbstverständlich sind auch wir aufgeregt - leicht fällt uns das Schlachten nach wie vor nicht. Christoph hat sich so wie ich bei jeder Ente für das Töten entschuldigt, das mag für den einen oder anderen kitschig klingen, für uns ist es ein Zeichen des Respekts und der Wertschätzung für das Leben, das wir nehmen.

Rupfen und Ausnehmen ist wie beim Huhn durchzuführen. Leber, Herz und Magen kommen in den Bräter und werden mit viel Gemüse zur Soße verkocht. Achtung: im Muskelmagen befinden sich Steine, die die Enten für die Verdauung benötigen. Unbedingt den Magen aufschneiden und die Steine leeren, sonst knirscht die Soße später. Eines der besten und für mich lehrreichsten Videos zum Thema Laufenten schlachten ist das vom Kanal „Der Waldläufer“. Dem Protagonisten ist anzumerken, dass er schlachtet, weil es eben sein muss und er geht sehr respektvoll mit der Situation um.

Ich war überrascht, wie viele Federn die Enten haben! Zuerst wollte ich diese aufheben und verarbeiten, im Moment fehlt mir aber die Zeit, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, also wanderten sie gemeinsam mit den Schlachtresten auf den Kompost und bereichern nächstes Jahr unseren Gemüsegarten mit Stickstoff. Die Entenbeine waren für unsere Hunde reserviert und die Hälse verfütterten wir gekocht an die Hühner (und ich bin wirklich froh, dass Hühner so klein bleiben - wer jemals gesehen hat, wie gierig sich Hühner auf Fleisch stürzen wird mich verstehen…T-Rex lässt grüßen!!!). So gut es geht, versuchen wir, alles zu verwenden und zu verwerten.

Die ersten paar Tage suchten die übrigen Enten nach den Verbliebenen, das hat mich zugegeben wirklich Mitten ins Herz getroffen. Trotzdem bin ich sehr stolz auf uns und wie wir mit den Herausforderungen bei uns am WIRLIG-Hof umgehen. Vor zehn Jahren konnte ich mir nicht vorstellen, mit Federn am Pulli und in den Haaren um sieben Uhr früh bei einem uralten Holzherd zu stehen und nach Innereien in einer Ente zu bohren! Geschweige denn, ein Tier selbst zu schlachten.

Natürlich läuft nicht immer alles rund und wir machen Fehler oder müssen dies und jenes von der Pike auf lernen. Klar würde ich mal gerne darauf verzichten, bei Sturm, Regen oder – 10 Grad morgens im Dunkeln raus zu müssen und gerne unter der Decke liegen bleiben. Und ja, wir wurden schon gefragt, warum wir es uns so „schwer“ machen...

Nun ja, ob „schwer“ oder „leicht“ liegt im Auge des Betrachters – hat es jemand, der täglich 12 Stunden vor dem Computer sitzt leichter? Ist es einfacher, Lebensmittel aus dem Supermarkt zu kaufen ohne zu wissen, woher diese kommen und wieviel Liebe hinter diesem Produkt steckt? Ob leicht oder schwer muss jeder für sich selbst im Rahmen seiner Möglichkeiten beantworten. Die Frage, die sich für mich stellt ist letztendlich, welches Leben ist besser, gesünder oder befriedigender? Der Blick in unsere Kühltruhe, wo sich Enten, Gemüse und Obst aus unserem Garten und selbst gebackenes Brot aneinanderreihen gibt mir ein Gefühl der tiefen Zufriedenheit. Somit gilt für uns, ja - manchmal mag unser Leben von einem gewissen Blickwinkel aus gesehen „schwer“ erscheinen. Wir möchten unser Leben und die Erfahrungen, die wir noch lernen dürfen jedoch gegen nichts auf der Welt eintauschen.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen schönen Herbst und noch eine frohe Erntezeit!


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